Gerd W.

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Skoda 110 R Coupé, Baujahr 1974

Das Skoda Coupé war der automobile Traum im einstigen Ostblock. Aber auch im damaligen Westdeutschland hatten es die heckmotorigen Flitzer der traditionsreichen Marke aus der damaligen CSSR zu allerhand Achtung und Respekt – vor allem bei den Motorsportlern – gebracht.

Ich hatte schon immer viel Benzin im Blut und war in den frühen 1970er Jahren begeisterter Rallyefahrer auf Renault 8 Gordini und Alpine A110. Ab 1975 lehrten uns plötzlich die Ingenieure und Rennfahrer von Skoda das Fürchten. Die robusten und zuverlässigen pausbackigen Skoda 130 RS fuhren einfach vorneweg und einen Sieg nach dem anderen ein. Der zwischen 1975 und 1982 als pures Sportgerät gebaute 130 RS mit 140 PS aus 1,3 Litern Hubraum beeindruckte uns schwer. Für mich war damals klar: Irgendwie und irgendwann musste ich an so einen Böhmensportler kommen. Der Skoda-Virus hatte mich infiziert.

Der 130 RS basierte auf dem Serien-Coupé 110 R, welches wiederum von der Limousine S 100/110 technisch und formal abgeleitet war. Der nur 65 Mal ausschliesslich für den Motorsport gebaute 130 RS mit seiner Coupékarosserie aus Aluminium und Kunststoff war natürlich unerreichbar. Der übrigens im Ostblock auch im Rallyesport erfolgreich eingesetzte Serien 110 R war da schon eher in meinem Fokus. 1980 wurde die Produktion des 110 R eingestellt. Fast keine Fahrzeuge waren in die Bundesrepublik gekommen. So war es quasi unmöglich hier im Westen ein Exemplar zu finden… Naja, in den 1980er Jahren wurde ich dann zwischenzeitlich stolzer Eigner eines Skoda Rapid, dem unspektakuläreren Nachfolgemodell in der Coupé-Baureihe. Dieser war damals neben dem Porsche 911 oder der Renault Alpine einer der sehr wenigen Sportwagen mit dem faszinierenden Heckmotor, hatte sich optisch jedoch von meinem beschriebenen Rallyeidol mit dem kühlerlosen Vieraugengesicht entfernt…

Die Jahre vergehen. 1991 war es dann endlich soweit. In die schwäbische Residenzstadt Ludwigsburg war in den politischen Nachwendejahren ein Übersiedlerfahrzeug aus der ehemaligen DDR gekommen. Es waren die Zeit, in der Fahrzeuge aus dem vergangenen Ostblock zu ungeliebten wertlosen Zeitgenossen wurden, die man plötzlich nicht mehr hegte und pflegte und die alsbald durch zeitgenössischen Westblechchic ersetzt werden sollten. Das galt nicht nur für Massenware wie Trabant oder Wartburg, sondern auch für seltene automobile Schätzchen von einst. Mein Skodahändler in Ludwigsburg wußte damals von meiner Leidenschaft um die heckmotorigen Sportler aus dem Osten. So erreichte mich eines Morgens sein Anruf bei der Arbeit, nachdem er einen schrottreifen 110 R “in Zahlung” genommen hatte. Ich hatte eine Stunde Zeit, um den völlig verrosteten und vernachlässigten zitronengelben 110 R vor der Schrottpresse zu retten. Da gab es kein langes Zögern. Ohne einen Pfennig zu zahlen, wurde ich so zum Besitzer eines Skoda 110R – oder vielmehr: eines Skoda-Wracks… Es folgen Jahre einer grundlegenden und leidenschaftlichen Restaurierung sowie einiger individualisierenden Umbauten. Der originale 1,1-Liter-Motor wird durch den größeren Motor 1,3l mit Weber-Vergaser und ca. 70 PS ersetzt. Breitere Vorder- und Hinterachsen stammen aus der späteren Serie 120. Das Getriebe hat eine 4,22 Übersetzung. Das kaputte Gestühl ersetzen wir mit Sitzen aus dem Rapid Coupe. Der gelbe Flitzer wird zum Hingucker in der Region. Er darf ausserdem seinen zweiten Frühling auch im regionalen Motorsport erleben. So sind meine Rennsemmel und ich gemeinsam erfolgreich unterwegs im Slalom in der Gruppe H (Bezirkmeisterschaft ADAC Nordwürttemberg) sowie bei verschiedenen Oldtimerrallyes…

Mein Skoda wurde 1974 im – 120 Landstraßenkilometer vom Stammwerk in Mlada Boleslav entfernten – Zweigwerk Kvasiny gebaut und war Teil eines 500 Fahrzeuge umfassenden Kontingents für den Westexport in die Niederlande. Leider entsprach die Lieferung nicht dem Qualitätsstandard des damaligen Importeurs, so dass dieser die Annahme verweigerte und dass seitens Skoda beschlossen wurde, diese Fahrzeuge in die DDR umzuleiten. Obwohl dort damals Skoda-Modelle zu den wichtigsten Importwagen gehörten, war das Coupé nicht im Vertriebsprogramm. Es versteht sich von selbst, dass diese exklusiven Exemplare zu hochbegehrten Objekten wurden – planwirtschaftliche Eigentümlichkeiten eben…

Ich liebe meinen Skoda. Die Seitenansicht mit dem langen fließende Heck und seinen kleinen Heckflossen oder Sichtkanten ist für mich die Schokoladenseite des Wagens. Das Auto zudem überrascht noch heute mit liebevollen Details: dramatische Lufteinlässe in den hinteren Kotflügeln, rahmenlose vordere Seitenscheiben oder die bündigen ohne umrandende Schalen ins Blech eingesetzten Türgriffe. Die drei Zusatzuhren auf dem Armaturenbrett sind einfach wunderbar!